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 Felix Thiemann

Geschrieben am 18.03.2017 von:
Felix Thiemann

Aktuelles Urteil des EuGH: Verbot eines islamischen Kopftuchs am Arbeitsplatz

 
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in dieser Woche über Vorlagefragen zweier nationaler Gerichte aus Belgien und aus Frankreich zu entscheiden. Es ging um die Auslegung der Unionsrichtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2007/08/EG). Beiden nationalen Verfahren lagen Entlassungen von Arbeitnehmerinnen zugrunde, die am Arbeitsplatz ein islamisches Kopftuch tragen wollten (EuGH 14.3.2017, C-157/15 und C-188/15). Eine Rezeptionistin aus Belgien und eine Software-Designerin aus Frankreich hatten ihre Arbeitgeber verklagt.

Der EuGH bestätigt, dass eine unternehmensinterne Regel, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbietet, keine unmittelbare Diskriminierung darstellt. Zwar schützt die Richtlinie 2007/08/EG auch die Freiheit der Person, ihre religiöse Überzeugung öffentlich zu bekunden. Ein unternehmensinternes Neutralitätsgebot bezieht sich aber unterschiedslos auf jede Bekundung von Überzeugungen. Dabei werden alle Arbeitnehmer gleich behandelt und angehalten, sich neutral zu kleiden.

Wenn sich aus der scheinbar neutralen Vorschrift eine faktische Benachteiligung von Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung ergibt, könnte sie allerdings mittelbar diskriminierend wirken. Eine solche mittelbare Diskriminierung kann jedoch durch ein rechtmäßiges Ziel wie die Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Kunden sachlich gerechtfertigt sein, wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Es ist Sache des nationalen Gerichts, diese Voraussetzungen zu prüfen.

Hat ein Unternehmen kein solches internes Neutralitätsgebot aufgestellt, ist ein Kopftuchverbot des Arbeitgebers nur dann nicht diskriminierend, wenn es eine entscheidende und wesentliche berufliche Anforderung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie darstellt.
Hierfür reicht der Wille des Arbeitgebers, dem Wunsch eines Kunden zu entsprechen, seine Leistungen nicht mehr von einer Arbeitnehmerin ausführen zu lassen, die ein islamisches Kopftuch trägt, nicht aus. Die Wesentlichkeit ist nach objektiven Maßstäben wie der Art der Tätigkeit zu beurteilen; subjektive Ziele wie die Berücksichtigung eines Kundenwunsches sind nicht einzubeziehen.

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Geschrieben von Felix Thiemann am 18.03.2017 Zurück zur Übersicht