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 Felix Thiemann

Geschrieben am 10.12.2015 von:
Felix Thiemann

Leitende Angestellte und Prokura


Häufig sind wir mit der Frage konfrontiert, was bei der Erteilung einer Prokura für Arbeitnehmer bzw. leitende Angestellte und Arbeitgeber zu beachten ist. Hier ein kleiner Überblick:

Durch die Bestellung zum Prokuristen erfolgt eine Änderung des bisherigen Arbeitsvertrages, auch ohne dass dies in einer schriftlichen Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zwingend geregelt werden muss. Durch die Bestellung zum Prokuristen wird der Arbeitnehmer, wenn es sich nicht um eine reine Titularprokura handelt, zum leitenden Angestellten mit allen Folgen, die sich hieraus ergeben. Für den Arbeitgeber wird es danach nicht mehr möglich sein, den Mitarbeiter ohne weiteres zu „degradieren“ und dann nicht mehr als Prokuristen zu beschäftigen. Der Prokurist erwirbt also einen entsprechenden Beschäftigungsanspruch und kann seine ggf. Arbeitsleistung zurückhalten, wenn die Gesellschaft – was gesellschaftsrechtlich jederzeit und ohne weiteres möglich ist – die Prokura widerrufen bzw. entziehen sollte.

Für den Arbeitgeber eröffnet sich aber die Möglichkeit, ihr Arbeitsverhältnis durch das Arbeitsgericht gegen eine nach §§ 9,10 Kündigungsschutzgesetz festzusetzende Abfindung auflösen zu lassen, auch dann wenn „an sich“ kein Grund für eine ordentliche Kündigung besteht (das folgt aus § 14 Abs. 2 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz). Besteht allerdings ein Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, bedarf es aus der Perspektive des Arbeitgebers keiner Auflösung und keiner Zahlung einer Abfindung. Man kann also sagen, dass der Arbeitgeber sich von einem Prokuristen jedenfalls immer (auch ohne gute Kündigungsgründe) – wenn auch ggf. gegen Zahlung einer Abfindung – trennen kann, wobei dies bei einem Nicht-Prokuristen (einem Nicht-leitenden-Angestellten) nicht ohne weiteres möglich ist.

Zur Haftung des Prokuristen: Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Prokuristen auch außer im Falle eines deliktischen Handelns (Betrug o.ä.) einer besonderen Haftung unterliegen.
Die Rechtsprechung hat hierzu Grundsätze zum so genannten faktischen Geschäftsführer geschaffen. Liegen bei einem Prokuristen die Voraussetzungen eines faktischen Geschäftsführers vor, so gelten die Grundsätze für die Geschäftsführerhaftung im wesentlichen auch für ihn. Über die Kriterien, wann eine faktische Geschäftsführung vorliegt, besteht Unsicherheit. Überwiegend wird darauf abgestellt, ob jemand mit Wissen und Wollen der Gesellschaft wie ein Geschäftsführer tätig wird, ohne zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein. Die Unklarheit über die Voraussetzungen, wann eine faktische Geschäftsführung zu bejahen ist, birgt erhebliche Risiken. Den Gerichten kommt hier ein Bewertungsspielraum zu. Weil eine verlässliche Abgrenzung nicht möglich ist, empfehlen wir, auch Prokuristen ggf. als versicherte Personen in eine D&O-Versicherung mit ausreichender Deckung aufzunehmen.

Die „Directors and Officers Liability Insurance“ ist eine Haftpflichtversicherung für Organe (Geschäftsführer, Aufsichtsrat etc.) sowie für leitende Angestellte einer Gesellschaft. Die Versicherung schützt das Privatvermögen der verantwortlichen Unternehmensleiter (= persönlicher Schutz) sowie das Firmenvermögen (= Unternehmensschutz) vor Schäden durch fehlerhaftes Verhalten der Geschäftsleitung.

Versichert sind Mitglieder der Geschäftsleitung (Geschäftsführer, Prokuristen etc.), leitende Angestellte sowie Mitglieder eines Beirates oder Aufsichtsrates. Versichert sind in erster Linie Schäden, die durch die Verletzung von Sorgfalts- bzw. Obliegenheitspflichten eintreten. Vorsätzliche Schädigungen der Gesellschaft oder von Dritten sind natürlich nicht versicherbar. Die Kosten der D & O Versicherung richten sich nach der Größe des Unternehmens, der Bilanzsumme, den spezifischen Haftungsrisiken sowie der abgeschlossenen Haftungssumme.

Damit sich jeder Außenstehende auf den gesetzlichen Umfang einer erteilten Prokura verlassen kann, bedarf es der Eintragung der Prokura im Handelsregister.

Die Prokura wird dem betroffenen Arbeitnehmer vom gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft erteilt. Die Zustimmung der Gesellschafterversammlung sollte dem gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer) der Gesellschaft vorher ggf. durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung erteilt werden.

Die Erteilung der Prokura ist zum Handelsregister anzumelden, auch wenn Anmeldung und Eintragung nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für das Bestehen der Prokura sind, d.h. der Prokurist auch vor Eintragung im Handelsregister die Gesellschaft bereits vertreten kann.

Die Prokura hat einen gesetzlich zwingend festgelegten Umfang, der nicht beschränkt werden kann. Der Prokurist ist zu allen rechtsgeschäftlichen und prozessualen Handlungen, die der Betrieb mit sich bringt, bevollmächtigt. So deckt zum Beispiel die Prokura die Einstellung und Entlassung von Personal, aber auch die Aufnahme von Darlehen, das Unterschreiben von Wechseln, die Begründung oder Beendigung von Dauerschuldverhältnissen (Miet- und Pachtverträge etc.), die Klageerhebung gegen Dritte sowie den Abschluss gerichtlicher Vergleiche, mithin auch die Führung von Prozessen für das Unternehmen.
Nicht erfasst von der Prokura sind Privatgeschäfte und sogenannte Grundlagengeschäfte, die nicht den Betrieb sondern den Bestand des Unternehmens an sich betreffen. Natürlich ist Prokuristen auch die Veräußerung und Belastung von Grundstücken verwehrt.

Die Erteilung der Prokura kann daher mit folgendem Wortlaut geschehen:

Prokura für Herrn / Frau ……….., geboren am…, wohnhaft…

wir bestellen Sie hiermit zum Prokuristen der ………………., eingetragen beim Registergericht: Amtsgericht ………..., Geschäftsnummer: HRB …….

Bei der Prokura handelt es sich um eine Einzelprokura.

Für Geschäfte und Maßnahmen, die wesentlich vom laufenden Geschäftsbetrieb abweichen oder die außerhalb Ihres Tätigkeitsgebiets liegen, verpflichten Sie sich, die vorherige Zustimmung des Geschäftsführers einzuholen, insbesondere

- für den Verkauf von Gegenständen, die zu festen Kapitalanlagen gehören;
- für die Gründung und den Erwerb von Geschäftsunternehmen;
- für den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverträgen mit folgenden Arbeitnehmern …;
- zu Einzelverpflichtungen, die einen Betrag von EUR … überschreiten;
- zu Verbindlichkeiten, die eine jährliche Belastung von EUR … überschreiten; usw.

Ort, Datum, Unterschrift ………….

Die Prokura muss dann vom Geschäftsführer für die Gesellschaft zum Handelsregister angemeldet werden und die Unterschrift unter diese muss notariell beglaubigt werden.


ACHTUNG: Unsere allgemeinen Hinweise ersetzen keine ausführliche Beratung im Einzelfall. Wir können daher keine Haftung für unsere Blog-Informationen übernehmen.
Wenn Sie als leitender Angestellter, Prokurist oder Arbeitgeber Fragen haben, zögern Sie nicht, einen Besprechungs- und Beratungstermin zu vereinbaren oder uns eine E-Mail zu schreiben, damit wir Sie optimal in allen arbeitsrechtlichen Fragen beraten können.

Geschrieben von Felix Thiemann am 10.12.2015 Zurück zur Übersicht