Kanzlei Blessing und Berweck | Tel: 07721/2000-0 | Fax: 07721/2000-33 | anwaelte@berweck.de
 Felix Thiemann

Geschrieben am 04.02.2017 von:
Felix Thiemann

10 Jahre Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement (BEM)


Der Präsident des LAG Bremen, Thorsten Beck, hat in der aktuellen NZA (Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht) eine instruktive Zwischenbilanz nach zehn Jahren Rechtsprechung des BAG zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM-Verfahren) nach § 84 II SGB IX gezogen. Einige der Kernaussagen möchte ich für die Leser meines Blogs zusammenfassen:

1.
Dem Betriebsrat steht ein Initiativrecht für eine Ausgestaltung des Klärungsprozesses des BEM durch generelle Verfahrensregeln zu, allerdings sind von diesem Mitbestimmungsrecht sich anschließende Umsetzungsmaßnahmen nicht erfasst (BAG, 22.03.2016 - 1 ABR 14/14).

2.

Nach Ablehnung eines BEM durch den Arbeitnehmer besteht für Arbeitgeber erst nach 365 Tagen eine Pflicht, ein neues BEM durchzuführen (LAG Schleswig-Holstein, 3.6.2015 – 6 Sa 396/14).

3.

Der Arbeitnehmer darf sich weigern – auch im laufenden BEM-Verfahren – zu den Ursachen seiner Erkrankung Stellung zu nehmen.

4.

Es bestehen hohe Anforderungen an die Belehrungspflicht des Arbeitgebers vor dem BEM (BAG, 20.11.2014– 2 AZR 755/13). Die Nichtbeachtung durch den Arbeitgeber führt zu einer Entwertung des BEM-Verfahrens im Rahmen eines eventuellen Kündigungsschutzprozesses. Dem Arbeitgeber ist also zu empfehlen, hier nicht oberflächlich oder hastig vorzugehen.

5.

Kündigt der Arbeitgeber aus krankheitsbedingten Gründen, ohne zuvor ein BEM-Verfahren durchgeführt oder versucht zu haben, ist es an ihm, die „objektive Nutzlosigkeit“ des BEM-Verfahrens im konkreten Fall detailliert vorzutragen und zu beweisen (BAG, 13.5.2015– 2 AZR 565/14). Der Arbeitgeber muss dann beweisen, warum ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Faktisch hat dies zur Folge, dass eine krankheitsbedingte Kündigung i.d.R. ohne vorherigen Versuch eines BEM zum Scheitern verurteilt ist.

6.

Der Arbeitnehmer ist vor Beginn des BEM-Verfahrens darauf hinzuweisen, dass die BEM-Unterlagen in einer separaten Akte aufbewahrt werden (nicht in der Personalakte), die sinnvollerweise z.B. beim Betriebsarzt verwahrt wird.

7.

Der Arbeitnehmer ist vor Beginn des BEM-Verfahrens auf sein Vorschlagsrecht für Maßnahmen im Rahmen des BEM hinzuweisen sowie darauf, dass das BEM ein gänzlich freiwilliges Verfahren darstellt.

8.

Der Arbeitnehmer, der sich während bestehender Arbeitsunfähigkeit weigert, ein BEM-Verfahren durchzuführen, sollte nach Rückkehr in den Betrieb erneut aufgefordert werden, am Verfahren teilzunehmen.

9.

Die zu prüfenden Maßnahmen im Rahmen des BEM-Verfahrens sind z.B. die Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens, die Versetzung des Arbeitnehmers auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz, eine Arbeitszeitänderung oder Arbeitszeitreduzierung, die technische oder organisatorische Umgestaltung des Arbeitsplatzes, Qualifizierungsmaßnahmen, bei schwerbehinderten Arbeitnehmern die Betreuung durch einen Integrationsfachdienst sowie die stufenweise Wiedereingliederung gem. § 74 SGB X, 28 SGB IX oder auch die Vereinbarung eines Eingliederungs- bzw. Lohnkostenzuschusses durch Integrationsämter bei schwerbehinderten Arbeitnehmern.

Achtung: Unser Blog und unsere Hinweise ersetzen keine Beratung im Einzelfall! Wir beraten Sie als Arbeitnehmer und Arbeitgeber in allen arbeitsrechtlichen Belangen gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen (thiemann@berweck.de), zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese für ein unverbindliches Angebot durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.

Geschrieben von Felix Thiemann am 04.02.2017 Zurück zur Übersicht